________________________________________________________________________________ Spiegel Nr.36/6.9.1999 Spaßhaus Mitte Von Tanja Dückers [...] Ost-Berlin wurde zu einer Art großem Abenteuerspielplatz. [...] Die Parallelität von Trash und Money, von Bonzen- und Ranzbackentum macht die Stadt spannender denn je. [...] Teens und Twens führen den Lebensstil vor, den sich viele 1968 gewünscht haben. Ohne zwanghafte Polygamie, Gemeinschaftsküche oder Kinderladen hat sich in der Stadt eine allgemeine Entspanntheit ausgebreitet [...]. Man [...] kriegt Kinder oder läßt es bleiben - ohne eine Ideologie daraus zu destillieren. [...] Das Lebensgefühl der Teens, Twens und Young Thirts findet sich zum Beispiel in den ehemals besetzen Häusern. Ihre Bewohner sind keineswegs, wie noch in den Achtzigern und zu Wendezeiten, schwarzgekleidete Polit-Rhabarberer, sondern Leute mit Sony-Discman und Blinker-Turnschuhen, und ihre Buden etablieren sich zu richtigen Spaßhäusern. In den kalt-heißen Achtzigern (jetzt ist die Temperatur sommerlich-mild) und auch noch zu Beginn der Neunziger herrschte ein anderer Tenor vor, die besetzten Häuser umwehte ein trüber Nihilismus, ein pathetischer Ernst schwang mit auf den großen [...] Plakaten. Eine auf das (vermeintlich) Wesentliche reduzierte Polit-Sprache, das Leben mit extrem begrenztem finanziellen Spielraum, die Abschottung gegenüber der Außenwelt - so war diese Epoche der Berliner Linken. Ganz anders die von Vitalität, Neugierde, Hedonismus in den Osten getragene Hausbesetzerszene der Neunziger. [...] Schien die Suche nach politischer Freiheit in den Sechzigern, Siebzigern und Achtzigern oft ein Vorwand, um in Ruhe seinen Privatismus, wie auch immer er sich gestaltete, zu zelebrieren, schämt sich jetzt niemand mehr, dies offen zuzugeben. Die Leute verbrämen ihre ureigenen Träume, Konflikte und Pläne nicht mehr mit geborgten Parolen, sondern krakeln einfach "Spaßhaus" an den Schornstein. Der gemeinsame Feind aller Kids [...] sind die "Spielverderber" [...]. Viel Charme hat diese naive Vergesslichkeit [...]. Kirchenspaltung, Wiener Kongress, Wimarer Republik, Hitler & Co, Mauer hin, Mauer weg, Frei-Zeit. [...] Natürlich gibt es jammernde Nischenbewohner auf beiden Seiten. Leider müssen in diesem Zusammenhang ein paar Kreuzberger Provinzeier erwähnt werden, die sich und 80 Millionen anderen allen Ernstes die Mauer wieder an den Hals wünschen, um das Gefühl, am Rande der Gesellschaft zu leben, aufrechterhalten zu können. Dennoch bekennt "die Szene" sich [...] zum regionalen Standort. [...] Natürlich fürchten die jüngeren Berliner auch, die liebgewonnenen Spaßnischen zu verlieren. [...] Doch auf das ## "neue Berlin" entstehen auch wieder ganz eigene Antworten. ## Schuppen machen auf, die sich "Daimler-Chrysler" oder knapp "Die ## Schweiz" nennen. [...] Die Subkultur reagiert ironisch-witzig, nicht depressiv-verstimmt [...]. ABER WENN ALLE SPIELVERDERBER ZUSAMMENSTEHEN KANN SPASSTYRANN NACH HAUSE GEHEN _____________________________ | ____ | WWW.ROLUX.ORG | PARTNER GEGEN |||| BERLIN | A.S.AMBULANZEN |_____________________________| DAIMLERCHRYSLER /* german language filter disabled */ ________________________________________________________________________________ no copyright 1999 rolux.org - no commercial use without permission. is a moderated mailing list for the advancement of minor criticism. more information: mail to: majordomo@rolux.org, subject line: , message body: info. further questions: mail to: rolux-owner@rolux.org. archive: http://www.rolux.org