________________________________________________________________________________ [update: you can filter messages in any specific language by using the filter command. if, for example you don't want to recieve any german-language messages, just mailto:majordomo@rolux.org?subject= with a message body that reads: filter german] ................................................................................ Musik 2.0 Markus Popp im Interview mit Mercedes Bunz Man hat seit 1995, seit der letzten LP "Diskont", hier eher wenig von Oval gehört. Die meisten Sachen danach sind vor allem in Amerika auf Thrilljockey und Drag City, in Japan auf Tokuma erschienen. Ist es ab einem bestimmten Punkt wichtig, den Vertriebsstrukturen Aufmerksamkeit zu widmen, um das Projekt weiter nach vorne zu treiben? Markus Popp: Ich habe nie wirklich Anstrengungen darauf verwendet. Das ist immer wieder derselbe, völlig banale Sachverhalt, dass sich irgendwelche Leute in den Kopf gesetzt haben, mich anzurufen. Und ich bin dann auch eins zu eins der, der ans Telefon geht und - wenn der Anrufbeantworter funktioniert - auch zurückrufen kann. Dann ergibt sich das. Es ist für mich nicht interessant, in der Form strategisch zu arbeiten. Wenn man zu Oval einen Satz sagen möchte, dann den, dass das ein exemplarisch vorgeführter Ansatz für eine mögliche andere Musik ist. Wie sich das strategisch verhält, ist mir gleichgültig. Solche Vorgänge sind eher deshalb interessant, weil sie mich mit Effekten in einer Realökonomie konfrontieren, die ab und zu unvorhersehbar, kontingent und unheimlich sind. In einer bestimmten Form bringt es mich in andere Situationen in der realen Welt. Auf Comme des Garcon-Modenschauen in Paris zu spielen ist eine andere Sache, als in einem kleinen Club in Texas, in dem alle 20 Minuten der Strom ausfällt. Also veröffentlicht man Musik, damit man reisen kann. Markus Popp: Nee, nee. Das wäre zumindest ein ziemlich guter Grund. Markus Popp: Ja, schon. Prinzipiell gesehen ist es aber viel interessanter, Installationen zu machen, bei denen man nicht eins zu eins derjenige sein muss, der vor Ort mit seiner Präsenz nachweisen muss, dass er wirklich auch versteht, was er da macht. Es geht darum, Musik anderen Bedingungen auszusetzen. Die Musik korrespondiert ja nicht inhaltlich mit meiner Person, denn letztlich ist bei dem, was ich mache, völlig irrelevant, was eine Musik an Subjektivitäten, persönlicher Intuition oder Geschmacksurteil transportiert. Ich möchte das lieber auf den Designbegriff bringen. Design in einem Medium Musik, das dieser grossen M-Musik, die man vorher so hatte und hinter die man jetzt unter den heutigen Produktionsbedingungen unmöglich zurückfallen kann, nicht unnötig affirmativ zuarbeitet. Ich benutze also eher die Distributionsstruktur des Mediums Musik oder einfach das Format an sich - also diese Konventionen. Letztlich ist auch meine Musik darin auch immer noch nostalgisch. Kannst du mal kurz sagen, was du mit M-Musik eigentlich meinst? Markus Popp: Die, die man so hatte: Musik als vorgängige Vorstellungen im Kopf, die dann nachträglich in der Komposition realisiert wird. Heute ist das vielleicht eher diese komische direkt-manipulative Mein-Instrument-und-Ich-Ebene. Und was setzt man da dagegen, wenn man da raus will? Markus Popp: Man fängt mit solchen Begriffen gar nicht mehr zu argumentieren an, sondern hört damit sofort auf. (Lacht). Das ist natürlich pur nostalgisch. Letztlich findet man aber genau das in der ganzen Technogeschichte, die diese komischen Kreativmythen nachbaut. Noch der letzte Produzent hat seine Identität über seinen Umgang mit irgendwelchen x0x-Geräten behauptet, von denen 1982 schon klar war, was die jemals können werden. Jahrelang hat man da noch seinen Namen draufgestempelt, wobei man eigentlich nichts anderes war als ein besserer Betatester von Geräten, die zu dem Zeitpunkt bereits zehn Jahre zu alt waren. Niemand, der im Kontext visueller Medien und Design arbeitet, würde sich trauen, so etwas ernsthaft in ein Culture-circuit einzuspeisen. Aber in der Musik ist das natürlich alles noch möglich, weil die Person noch wirklich zu sehen ist, sich artikulieren kann und auf den Fotos selbst abgebildet ist. Es ist eine ziemliche Tragödie und eine unglaubliche Fehlentwicklung. Das hat teilweise wirklich schon den Charakter von Betrug, denn elektronische Musik hat sich genau da als State of the Art behauptet, wo nichts anderes getan wurde, als sie immer nur "anders" und "interessant" klingen zu lassen. Das aber ist unter Midi eine Trivialität, weil natürlich Midi einzig darauf ausgelegt ist, die Erstreckung von Tonhöhenunterschieden auf Zeit als Musik zu definieren. Midi ist darauf ausgerichtet, dass vorhandene Sounds immer wieder verändert werden und Updates erfahren. Man setzt von einer im Gesamtzusammenhang relativ kleinen Industrie ein spezifisch hergestelltes Gerät für genau den vorgesehen Zweck ein - ohne dass sich prinzipiell irgendetwas getan hätte. Oder - noch schlimmer - es wird zweckentfremdet. Und dafür wird man möglicherweise dann auch noch abgefeiert. Musik immer wieder nur im Medium der Musik zu verhandeln, verdeckt die relevanten Fragen. Warum ist das noch schlimmer? Markus Popp: Zu sagen: Ich drehe jetzt die Knöpfe einfach verkehrtrum und meine Musik klingt anders und neu - das ist bestenfalls langweilig. Es geht ja nicht darum, die Parameter innerhalb ihrer Betriebssystemgrenzen zu verändern, sondern das Betriebssystem an sich als Problemhorizont oder als Definitionshorizont zu erkennen. Elektronische Musik zu machen, ist ja letzten Endes heute eine Guided Tour. Man wird durch bestimmte vordefinierte Möglichkeiten eines Gerätes durchgefahren und die skrupellosesten Leute fahren ganz langsam, greifen links und rechts ins Regal und streiten sich zum Schluss noch um die Abendkasse. Also mit so einer Welt möchte ich möglichst wenig zu tun haben. Da sitze ich lieber bei sechssprachigen Japanern in Paris und wundere mich einfach nur, was ich jahrelang verpasst habe. Ebenso wird man jahrelang nicht weiter so tun können, als seien Videogames immer nur so Games. Aber wenn man immer nur das alte Medium im neuen erkennen will, dann wird man genauso wenig Glück haben, wie das mit der Musik eben auch schon schief gegangen ist: Man wiederholt pure Konvention, eine liebgewonnene Gewohnheit. Für mich ist diese Musik - speziell die elektronische - also pur nostalgisch. Ich sehe mich zwar nicht allgemein in der Instanz, die darüber befinden kann, aber ich sehe zumindest für mich, dass das keine tragfähige Strategie ist. Man hat inzwischen auch schon die grössere Mühe, aus dem, was man auf irgendeinem kleinen Computer so machen kann, immer noch diese alte Musik rauszuholen. Das ist inzwischen schon der grössere Aufwand, als einfach irgendwas zu machen, bei dem Konventionen überhaupt keine Rolle mehr spielen. Gleichzeitig muss ich allerdings sagen: mich interessieren keinerlei Experimente, vor allem keine musikalische Experimentalität. Mich interessieren Standards, denn die haben sich über Jahre hinweg als viel prägender und viel interessanter herausgestellt. Wie formulierst du dann, mit welchem Standard du arbeitest? Was hältst du da für interessant? Markus Popp: Für das Interessanteste ausser dem übergreifenden Betriebssystem halte ich im Gesamtkontext Soundfileformate, die Audio-Content zwischen Programmen austauschen. Das ist der Standard, mit dem ich arbeite: Soundfiles. Und die machen es unter anderem in meiner Musik völlig irrelevant, eine Idee zu haben. Es gibt nichts Unbrauchbareres als die Idee, wie so ein Stück sein könnte, weil man die sowieso nicht erzielen würde und die Tatsache, dass jede kleinste Bearbeitung eines einzelnen Soundfiles zu tausenden Zeitpunkten immer auch hätte anders ausfallen können. Die Kategorie "Sound" spielt die geringste Rolle in meiner Arbeit. Aber du selektierst doch in gewisser Weise, das nehme ich, das nicht. Markus Popp: Ja, absolut. Das würde man ja aber auch mit jedem Bus machen, den man so sieht, ob man den nimmt oder nicht. Unter was für Kriterien selektierst du? Markus Popp: Im konkreten Fall geht es immer darum, ein Design zu finden. Wenn ich einen Squarepusher-Remix mache, ist es etwas anderes als bei Pizzicato Five oder eine CD mit Gastr del Sol ("Camoufleur" auf Drag City/EfA, erschienen 1998). Dabei verstehe ich "Design" als Aufgabenstellung. Das Interessanteste ist es allerdings, alles aus einem Sound zu machen, d.h. nur ein Sample zu haben und alles damit zu bestreiten. Wie gesagt, eine Vorstellung von dem Stück zu haben, bevor man beginnt, ist unmöglich. Dementsprechend finde ich es interessanter, mit gewissen Situationen zu arbeiten. Es ist natürlich ganz klar, dass man mit dem, was man macht, immer nur einen Ausschnitt aus dem persönlichen Anpassungsprozess an Interfaceelemente zeigt und ganz nebenbei die vorhandenen Interfaces optimiert ­ der nächste Schritt wäre jetzt, selbst welche zu entwerfen. Wie sich das Resultat schliesslich als Musik verhält und rezipiert wird, ist aber auch für mich nicht unwichtig. Es wird immer eine Musik geben. Zum Schluss wird man schon was hören, da braucht man keine Angst zu haben. Auf diese komischen Experimente, wie: jetzt kann man gar nichts mehr hören oder mit 99 Tracks viel zuviel, also da verfalle ich nicht drauf. Ich bin grosser Gegner von Editionen, bei denen die bessere Idee die Verpackung war. Ich will schon noch etwas abliefern. Schränkt das Festlegen auf den Sound einer skippenden CD nicht in gewisser Weise ein? Markus Popp: Nein. Das ist ja gerade das, was es mir überhaupt erst ermöglicht, mich auf die relevanten Fragen zu konzentrieren, denn dadurch ist es sehr einfach, sich über die üblichen Ansätze - "Wie klingt die Musik?" "Was macht die Musik" und "Wer macht die Musik" - keine Gedanken mehr machen zu müssen. Was ich mache, lässt sich beliebig detaillieren, perfekt archivieren, organisieren und in viele kleine Einzelteile splitten. Man erstellt riesige, kontingente Filesysteme, die das eigentliche Thema meiner Musik sind und so etwas wie Kreativität in meiner Musik längst ersetzt haben. Es ist ja nie so, dass die CD, die jetzt kommt, jetzt entsteht. Es war immer so, dass die Sachen schon zwei Jahre im Loop liefen - also bereits vorhanden waren und dann nur noch Gruppen zu bilden sind, die man einfach für die nächste CD formatieren muss. Ist die MiniCD "SzenarioDisc" Teil der kommenden CD? Markus Popp: Überhaupt nicht, da gibt es gar keine Übereinstimmungen. Die Hauptidee bei der Szenariodisc war, eine Strecke zu machen und zwischen den längeren Stücken kleinere, kürzere unterzubringen. Szenariodisc ist, wie der Name andeutet, ein Entwurf oder Vorschlag, wie das kommende Album hätte werden können. Es sind 11 Tracks drauf, auch wenn jeder denkt, da seien nur sechs. Fünf davon sind einfach Interludes, sie sind kürzer und älter (1996) und haben Extranamen, aber eine Dreipunkt-Schrift zu identifizieren, das scheint für viele schon zuviel. Das kann man offensichtlich irgendwie nicht mehr lesen, und dann hat man es auch nicht gesehen. Das dazwischen zu schieben, ist natürlich der ganze Trick bei dem Format, sonst könnte man ja Vinyl benutzen. Wo, in welchem Medium passiert deiner Meinung nach im Moment am meisten? Markus Popp: Bei Videogames. Das ist das Genre, das zur Zeit extrem wichtig, extrem spannend, sehr komplex und sehr zeitgemäss ist. Was die Produktionsabläufe betrifft, hundertmal zeitgemässer als irgendwas, was in den letzten Jahren im Musikbereich entstanden ist. Komplett interessante Sache, da muss man definitiv dranbleiben, denn ästhetische Gegenwart ist natürlich in den Games einfach da. Da braucht man nicht noch gross rumzudefinieren, dort gibt es keinen Definitonsbedarf wie bei Musik, um die man sich erst zehnmal drehen muss, bevor man überhaupt was Interessantes findet. Während ich in der Musik meinen eigenen Ansatz als Syntheseleistung ständig rechtfertigen und formulieren muss, hat man eine mühelos und per se selbstverständliche, ästhetische Gegenwart bei Videogames. Hier gibt es allerdings nur Agenturen oder Gamer, die dann zuhause feierabendmässig unterwegs sind. Leute, die das nur spielen, sind mir natürlich ebenso egal wie Leute, die auf die Loveparade gehen. Es sind die Produktionsabläufe, technischen Fertigkeiten und Strategien, die mich interessieren. In der Musik ist das genauso. Wie Musik wirken soll und wie man die so findet, darüber ein Statement abzugeben ist nicht meine Aufgabe. Ich versuche die ästhetische Gegenwart zu formulieren, indem ich den bestehenden Musikbegriff an sich zur Disposition stelle. Vielleicht nicht mit den Mitteln der Musik, aber durch ein formales Verfahren, das die musikalischen Kategorien und die musikalische Kreativität dann doch erfolgreich ersetzen kann und eine neue Musik vorzuschlagen, die nicht erst vor der kompletten Musikhistorie verteidigt werden muss, sondern einfach neu anfängt. Also hat Oval eher den Charakter eines Modells als einer Musik? Markus Popp: Oval hat den Charakter von einem Modell. Dieses Modell ist mein Input in einen Kontext, obwohl ich schon lange nicht mehr auf irgendwelche Antworten warte. Ich halte das eher an der Sache orientiert. Vielleicht kommt das von meinem Uni-Background. Ich habe nicht diesen Das-will-ich-jetzt-auch-Background, wo es nur darum geht, auf einer Bühne zu stehen, um vorzuführen, was man jetzt als Person darstellt. Und doch letzten Endes nur ein Ausbuchstabieren von Parametern ist, die dann alt sind und uninteressant. Es gibt einfach keine Konvention in der Musik, die anregt, unmittelbar die Tools auszuspielen. Eigentlich ist aber schon relativ klar, wenn man sich den Screen anschaut, mit was man zu rechnen hat. Das Deprimierende ist ja, immer rauszukriegen, dass das, was man da sieht, erst fünf Jahre später passiert und in der Zwischenzeit schon wieder etwas ganz anderes geschehen könnte. Und deswegen Games. Da gibt es sowas noch gar nicht, sondern sofort per se eine Umsetzung. Du hast einfach etwas, das besser aussieht als etwas anderes, und du musst weitere drei Wochen investieren, um den Effekt besser gemacht zu haben. Das ist einfach nur so ein kleiner Swoosh-Effekt oder so, aber das ist unglaublich schwer. Ich bewundere das. Im Gegensatz zur Musik, da bewundere ich diese komische Langsamkeit nicht. Ich sehe mich zwar nicht total draussen und kann mich auch nicht darüber stellen, aber ich kann sagen, dass ich letzten Endes nicht dazugehören möchte, weil ich halt nur sehr grosse Dreistigkeit sehe. Da komme ich nicht her, das ist auch nicht so meine Welt. Wenn ich früher Autoradios geklaut hätte oder so, dann hätte ich dafür auch Verständis. Aber da bin ich nicht unterwegs, in so einem Bereich. Bezogen auf meine Arbeit bleibt eine generelle Unterscheidung, die ich treffen würde: Produktivität versus Konsum. Das Konsumermässige interessiert mich nur, insofern ich Leuten vermitteln kann, wie einfach meine Tätigkeit ist. Deswegen habe ich vor einigen Jahren begonnen, Workshops und Tutorials zu machen. Ob das das nun den Käufer meiner CD interessiert, ist eine ganz andere Frage. Es geht mir letztlich darum, einen Input in einer Diskussion zu liefern, die an der Sache orientiert ist und an offenen Fragen. Und in vielem, was ich da in diesem Bereich beobachte, gibt es keine Fragen mehr. Höchstens, wieviel man dafür jetzt so bekommt. http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/musik/3417/1.html ________________________________________________________________________________ no copyright 1999 rolux.org - no commercial use without permission. is a moderated mailing list for the advancement of minor criticism. more information: mail to: majordomo@rolux.org, subject line: , message body: info. further questions: mail to: rolux-owner@rolux.org. archive: http://www.rolux.org