________________________________________________________________________________ Wir mußten das eine Weile liegen lassen, um für das deutsche Fernsehen einen Film zu machen, der heißt: VLADIMIR ET ROSA. 1) Tout va bien (rien ne va plus) nach Mai habe ich Jean-Pierre Gorin getroffen, einen Militant vom JCML, das war das Zusammentreffen zweier Personen, von denen der eine vom normalen Kino kam, und der andere ein Militant, der entschieden hatte, Kino zu machen sei eine seiner politischen Aufgaben, auf der einen Seite um Mai zu theoretisch zu fassen, auf der anderen Seite, um zu einer Aktivität (pratique) zurückzukehren. Während ich mich an jemanden binden wollte, der nicht vom Kino her kam. Kurzum, der eine wünschte sich, Kino zu machen, der anderen wünschte, das zu verlassen. Es war der Versuch, eine neue Einheit aus zwei Gegensätzen zu konstruieren, gemäß dem marxistischen Konzept, und also zu versuchen, eine neue Zelle zu bilden, die nicht mehr politisches Kino macht, sondern versucht, politisch politisches Kino zu machen, was etwas ziemlich anders war in Bezug zu dem, was die anderen militanten Cineasten machten. das wichtigste war, sich den Aufgaben der Produktion zu widmen, vor denen der Diffusion, während das militante Kino sich über einen Versuch, Filme anders zu verbreiten, definierte. Unserer Ansicht nach konnte das von sich aus nicht gelingen und hat immer zum Scheitern geführt; (es ist die Revolution, die die Ökonomie befehlen muß, wenn Sie so wollen zum Beispiel, um die Bilder aus Palästina zu bezahlen, mußten wir einen Werbespot drehen und haben so nach der Logik der bürgerlichen Ideologie der Werbung produziert: Wenn man das morgens macht, ist es schwierig, nachmittags nach einer Ideologie zu produzieren, die man proletarischer haben wollte; man kann nicht mittags innehalten, die bürgerliche Jacke ausziehen und eine proletarische Jacke anziehen, das ist nicht so einfach. im Mai war die einzige Aktivität, die nicht gestoppt war, die Projektion von Filmem; die Produktion war gestoppt, Cannes war gestoppt, aber die Projektion ging weiter; Truffaut hat überhaupt nicht den Widerspruch gesehen zwischen Cannes stoppen und den Film zu zeigen, den er gekauft oder produziert hatte. [parti n.m. 1. Ce qu'une personne a pour sa part. das was eine Person für sich/an ihrer Seite hat 2. Solution proposée ou choisie pour résoudre une situation. Vorgeschlagene oder gewählte Lösung, um eine Situation aufzulösen 3. Groupe de personnes défendant la même opinion. Gruppe von Personen, die die gleiche Meinung verteidigen Association de personnes unies pour défendre des intérêts, des buts communs; faction, ligue. -> formation, mouvement, rassemblement, 1. union. -> multipartisme, pluripartisme. ] Ich glaube an eine Massen-Verbreitung, sobald eine Partei der Masse existiert. Das ist der Fall in China, aber die Chinesen fangen nur an, sich den Problemen des Kinos zu stellen. Übrigens haben sie keinen einzigen Grund, sich diese Fragen zu früh zu stellen. Das Kino ist ein Instrument de parti und wir sind in Ländern, in denen die revolutionäre Partei weit davon entfernt ist zu existieren, und wo die revolutionäre Arbeit darin besteht, jene zu konstruieren, eine Arbeit, die viel Zeit in Anspruch nehmen kann. - Müssen Sie nicht als militanter Cineast auf die sofortige/unmittelbare Wirksamkeit/Effizienz zielen und ihr die Forschung nach neuen Formen widmen? - Aber wir suchen keine neuen Formen, wir suchen neue rapports [Verbindungen, Zusammenhänge, Schnitte; auch die Bedeutung des deutschen “Report"]. Das besteht zuerst daraus, die alten rapports zu zerstören, das war nur auf der formalen Ebene, und dann sich darüber klar werden, ob man sie auf der formalen Ebene zerstört hat, also daß diese Form von bestimmten sozialen Bedingungen der Existenz und zugleich der Arbeit kommt, die die Kämpfe von Gegensätzen implizieren, also eine politische Arbeit. Das ähnelt den Schwierigkeiten der revolutionären Gruppen in Frankreich, die es nicht schaffen, zu einer Einheit zu kommen, selbst in Bezug auf einfache Sachen. Aber das alles ist nicht so einfach. Es gibt zwei Arten von militanten Filmen: die, welche wir “Schultafel-Filme" nennen und die Filme “Internationale", was einem Singen der Internationale in einer Demo gleichkommt. Die anderen die aufzeigen und es irgendjemand erlauben, das was er gerade gesehen hat, auf die Realität zu übertragen, oder loszugehen und es auf eine andere Tafel zu schreiben, damit andere es auch übertragen können. décembre 1970 2) Tout va bien (enquête sur une image) Photo: erschienen im Express vom 31. Juli 1972: «Jane Fonda befragt Einwohner von Hanoï über die amerikanischen Bombardements.» Wir denken das es wichtig und dringend ist, gewissermaßen “wirklich" zu denen zu sprechen, die die Mühe auf sich genommen habe, unseren Film zu sehen. “Wirklich", das will sagen: da, wo sie sind, und auch: da, wo wir sind. Man muß also auf eine Art vorgehen, daß sie wirklich die Fragen stellen können, auf die sie Lust haben, oder Antworten auf die Fragen zu geben, die wir gestellt haben. Man muß nachdenken können. Und nachdenken vor allem über dieses Problem von Fragen und Antworten. Daß auch wir wirklich erzittern/schockiert sein können von den Antworten der Zuschauer (oder Fragen), und daß wir antworten können (oder fragen), anders als mit den Antworten (oder Fragen), die schon fertig sind auf Fragen (oder Antworten), die auch schon alle gemacht sind. Aber gemacht von wem? Für wen? Gegen wen? Noch mehr als über die Fehler und die Qualitäten von Tout va bien zu theoretisieren, werden wir nach Vietnam gehen. Aber wir werden dahin gehen durch und mit den Mitteln von Tout va bien. Wir werden schauen, wenn man sich so ausdrücken kann, wie gut Tout va bien in Vietnam “arbeitet". Dann, von diesem praktischen Beispiel aus, könnte man eventuell einige Schlüsse über die Sachen, die zu machen und nicht zu machen sind, ziehen, jeder von uns da wo er ist, mit seiner Frau, seinem Chef, seinen Kindern, seinem Geld, seinen Wünschen, etc. hier, wo wir sind, in F., 1972, regiert von Freunden der Amerikaner und der Russen, nichts ist so klar, nichts ist so evident. Und da nichts evident ist, Jane, machen wir weiter damit, uns Fragen zu stellen, aber wir machen die Anstrengung, sie anders zu stellen, kurz, stellen wir uns die neuen Fragen um neue Antworten geben zu können. Zum Beispiel, schauen wir uns an, wie die Vietnamesen ihren Kampf übersetzen, und stellen wir uns Fragen, weil wir auch unseren Kampf übersetzen wollen. Und fragen wir uns zuerst ehrlicherweise, was uns erlaubt zu sagen, daß wir wirklich kämpfen. Und ein Typ wie gerade der Dr. Kissinger wird uns fragen: Warum dieses Foto? und welchen Bezug dieses Foto mit Tout va bien haben kann? Und er und seine Freunde werden sagen, daß das nicht ernst ist, daß man besser vom Film, von der Kunst, etc. sprechen sollte. Aber man muß die Anstrengung vollführen zu sehen, wie Reflexionen von diesem Typ sich selbst verfälschen, wenn sie sich so stellen, sie komplizieren alles und sie versperren wirklich den Weg zu anderen, einfacheren Fragen (wie man von einfachen Leuten spricht). Zum Beispiel, bevor man sagt: welche Verbindung, muß man zuerst fragen: gibt es eine Verbindung? und wenn ja, nur dann fragen, welche? Und nur dann, wenn man entdeckt hat, welche Verbindung (hier werden wir später entdecken, daß die Verbindung zwischen unserem Film und diesem Foto das Problem des Ausdrucks/Ausdrückens ist), kann man eventuell ihre Wichtigkeit beurteilen, d. h. andere Verbindungen mit anderen wichtigen Fragen etablieren, und anderen wichtigen Antworten. welche Rolle muß das Kino in der Entwicklung der revolutionären Kämpfe spielen? Berühmte Frage, die eine nicht weniger berühmte wiederholt: Was ist die Rolle der Intellektuellen in der Revolution? Jane, Du bist eine Schauspielerin (Jane, Du wirst uns fragen: Warum dieses Foto von mir, und nicht von Ramsey Clarke, zum Beispiel, auch er war in Vietnam, auch er hat das Bombardement der Dämme bezeugt. Einfach Du, Jane, wegen Tout va bien, und weil Dein sozialer Status in diesem Film der gleiche war wie in diesem Foto). Man wird zum Beispiel sehen, daß in dem, was eine wichtige Partie des Fotos betrifft (der Ausdruck der Schauspielerin, der Zusammenhang Mund-Blick), man sich im abendländischen Europa unserer Meinung nach nicht in dem Maße zufrieden zeigen kann wie seine Akteure, die, die das Foto gemacht haben, oder entschieden haben, es zu machen. Das zu sagen, das ist nicht einfach das gleiche wie das, was die Mehrzehl der kommunistischen Parteien des Westens und ihre Unterstützer (der Papst, die UNO, das Rote Kreuz) machen, die einfach sagen: helfen wir dem Vietnam den Frieden herzustellen. Das zu sagen, was wir gesagt haben, ist im Gegentiel etwas viel präziseres. Zum Beispiel: helfen wir der Allianz Nord-Vietnam und Süd-Vietnam, den Frieden zu machen. Und noch präziser: Da der Vietnam, indem er seine alte Welt verändert, uns hilft, unsere zu verändern, wie können wir nun ihm wirklich helfen; und da das Kollektiv Vietcong/Nord-Vietnam gegen Südost-Asien kämpft, es kritisiert und transformiert, wir können wir an unserer Stelle kämpfen, um Europa und Amerika zu verändern? Natürlich ist das ein bißchen länger zu sagen (als: Frieden in Vietnam) und minutiöser zu machen (als: zwei oder drei Vietnams zu schaffen), und genau deshalb reklamiert Marx schon (im Vorwort zur zweiten Ausgabe der Kapitals) von den Lesern, keine Angst vor den «Minutiösen» zu haben, um «den König der Hölle» umzudrehen «und die Teufelchen zu befreien». [...] Schlüsse zweiten Grades - Unser Wunsch, dieses Foto zu befragen, ist nicht im Zufall geboren. Die Maschine Tout va bien funktioniert auch über Stars. Und selbst über Stars von Stars, denn es handelt sich um ein Liebespaar (der Star der Szenarios im imperialistischen System Hollywoods), interpretiert von zwei Stars des kapitalistischen Systems und gepaart mit einem Star-Regisseur. Dennoch, was machen alle Stars in dem Film, wenn nicht dem Lärm eines Arbeiter-Streiks zuzuhören, genauso wie Jane Fonda auf dem Foto dem Lärm der vietnamesischen Revolution zuhört. Aber auf dem Foto sagt man das nicht. In dem Film sagt man es. - Tatsächlich kann man schon sagen, daß das, was die Vietnamesen interessiert, ist, einen amerikanischen Star deplaziert zu haben. In dieser Deplazierung von diesem amerikanischen Star zeigen sie ihre Kraft und die Gerechtigkeit ihrer Gründe. Aber genauso ist im Laufe dieser Deplazierung, daß die Truppen des Kapitals davon profitieren, um anzugreifen. Und wir, wir müssen von dieser gezwungenen Deplazierung von Kapital profitieren, um unsererseits anzugreifen. - Unserer Meinung nach hätte man da statt diesem Foto die zwei Fotos Seite an Seite haben müssen, die in diesem Foto sind: das alte Foto und das neue Foto, mit einer neuen Bildunterschrift und dem alten Foto, und unter dem neuen Foto eine alte Bildunterschrift. - Das gäbe zum Beispiel folgendes: in Vietnam bin ich fröhlich, weil es trotz der Bomben Hoffnung für die Revolution gibt, in Amerika, trotz allen finanziellen Fortschritts, bin ich traurig, weil die Zukunft blockiert ist. - Die Wirklichkeit, das ist das hier, zwei Töne, zwei Bilder, das Alte und das Neue, und ihre Kombinationen. Denn es ist das imperialistische Kapital, das sagt, zwei fusionieren zu einem (und nur ein Foto von Dir zeigt) und es ist die soziale und wissenschaftliche Revolution die sagt, eins teilt sich in zwei (und zeigt wie das Neue bei Dir gegen das Alte kämpft). Winter 1972 3) tout va bien (tout à fait logiquement) - Haben Sie wirklich reinen Tisch gemacht nach 1968? - Überhaupt nicht. Mai 1968 wurde eine ganze Menge Leute ihre Jobs los als hätte jemand den Besen geschwungen. Und den Staub wegzufegen, das ist nicht reinen Tisch machen. Auszufegen erlaubt, besser zu sehen, was es in dem Raum gibt, und mich herausschmeißen zu lassen hat mir erlaubt damit zu beginnen, mich historisch und als F. und als Cineast zu situieren. D. h. als Cineast, der in F. arbeitet. Um endgültig mit einer bestimmten Art von Filmemachen zu brechen, mußte man beginnen, mit dem klassischen Konzept des Bruchs zu brechen. Das war - und ist es immer noch - der Anfang einer langen Arbeit neuen Stils. Zum Beispiel, das meint nicht, Ich-Cineast, ich werde politische Filme machen, im Gegenteil: ich werde politisch politische Filme machen. Das meint nicht, Ich-Mensch, lebe der MLF, sondern: lebe der MTH (Mouvent de Transformation des Hommes). Das meint nicht, Ich-Linker, lebe die Einheit der Bewegung der Jugend, sondern: lebe die Jugend der unitären Bewegung. Das meint nicht, Ich-Propagandist, das ist ein «explosiver» Film, sondern - in Bezug auf Tout va bien - das ist ein «enttäuschender» Film. Massen von Leuten stellen sich heute Massen von Fragen und geben Massen von Antworten. Um Antworten eines neuen Stils zu geben, auf die Situation in F. heute, muß man anfagen zu lernen, Fragen anders zu stellen. Wenn nicht, im Kino wie in jedem anderen sozialen Kampf, dann würde man nur auf eine alte Art auf ganz neue Fragen zu antworten wissen. Was mich betrifft, ist der eigentliche Bruch, nicht zu sagen: Ich habe reinen Tisch gemacht, ich habe das System verlassen, ich mache andere Sachen; sondern zu sagen, und das ist heute nur möglich nach drei Jahren Arbeit: Ich bin nicht aufgebrochen, ich bin geblieben, ich mache keine anderen Sachen, aber ich mache die gleiche Sache anders. Da, was wirklich neu ist: mich nicht mehr Godard, sondern Godard-Gorin zu nennen. Und eine Fahne auf eine neue Art zu tragen, das war für uns nicht, uns «Proletarischer Kino-Club» oder «Viet-namesisches Kino-Komitee» zu nennen, oder «schwarze und weiße Panther», sondern «Gruppe Dziga Vertov». Aber es reicht nicht, eine Fahne zu tragen, man muß die Fahne auch absetzen und das Territorium markieren, wo wir sein werden und von welchem aus wir entscheiden, in die Offensive zu gehen. - Und wie schreibt sich diese Arbeit in Tout va bien ein? - Voll und ganz logisch. Logisch nicht mehr formal sondern politisch. Sehen wir uns nochmal die Fakten an: Wir haben niemals das System verlassen, wir waren da mehr als jemals. An einem anderen Orte haben wir uns direkt und gewaltätig gestoßen, nicht an simplem privaten oder halb-privaten Firmen, sondern an den staatlichen «Fernseh-Apparaten»: Le gai savoir, produziert und abgelehnt von der BBC, Luttes en Italie, produziert und abgelehnt vom italienischen Fernsehen, Vladimir et Rosa, produziert und abgelehnt vom deutschen Fernsehen. In allen diesen Kämpfen haben wir bestimmte Sachen gelernt, die uns erlaubt haben, Tout va bien zu machen, und, indem wir es machten, gleichfalls die Offensive auf dem bestimmten Terrain der Kino-Industrie wiederaufzunehmen. - Und diese Offensive? - Heute in die Offensive zu gehen, das ist Love Story machen, aber anders. Das ist zu sagen: Sie werden einen Liebesfilm mit Ihren liebsten Stars sehen. Sie lieben sich und sie streiten sich wie in allen Filmen. Aber, was sie trennt oder was sie wieder zusammenbringt, wir benennen es, das ist der Klassenkampf. Das was es macht, daß Jane Fonda, Journalistin, oder Yves Montand, Cineast, sich vom «je t'aime» zum «je ne t'aime plus» bewegen, dann von neuem zu einem zweiten «je t'aime», dieses mal unterschiedlich zum ersten, das ist, daß es zwischen diesen zwei «je t'aime» vierzig Minuten gibt, in denen sie in einer Fabrik eingesperrt sind. - Ist es ein Zufall wenn, in diesem Film, Montand Cineast ist? - Er ist nicht Cineast, er «macht» Kino. Dennoch ist es so, daß die Aktivität von Montand (und die von Jane Fonda), wie die unsere darin besteht, Kino zu «machen». Wir hatten dieses Terrian da nicht zu verlassen. Um von anderen zu sprechen, muß man die Bescheidenheit und die Aufrichtigkeit haben, von sich selbst zu sprechen. Das Neue ist nicht, von sich selbst zu sprechen, sondern von seinen eigenen sozialen Existenzbedingungen und den Ideen, die sich daraus ergeben. Von sich zu sprechen, ja, um die anderen besser zu hören. 27 avril 1972 l' e j'ai s pas p le temps a c e j'ai ________________________________________________________________________________ no copyright 1999 rolux.org - no commercial use without permission. is a moderated mailing list for the advancement of minor criticism. more information: mail to: majordomo@rolux.org, subject line: , message body: info. further questions: mail to: rolux-owner@rolux.org. archive: http://www.rolux.org